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Das Siegwehr an der Wahnbachtalstraße

von Dr. Andrea Korte-Böger (Frühere Stadtarchivarin der Stadt Siegburg)

Teil 1 von 3

 

Das Siegwehr an der Wahnbachtalstraße gehört zu den baulichen Einrichtungen, denen man nicht ansieht, dass sie eigentlich „uralt“ sind. Modernste Technik – Fischaufstieg, Kontroll- und Fangstation – lassen seine ursprüngliche Funktion, eine von Menschenhand geschaffene Gefällestufe im Flussverlauf zu bilden, um ein Oberwasser, den Siegburger Mühlengraben abzweigen zu können, fast vergessen, zumal dessen Funktion, Mühlen anzutreiben, auch seit bald 100 Jahren nicht mehr benötigt wird.

Das war über mehr als 800 Jahre Stadtgeschichte einmal anders. Mit der Gründung der Abtei St. Michael 1064 auf dem Michaelsberg, der damals noch Siegberg hieß, begann sich am Fuße des Berges ein kleines Gemeinwesen zu entwickeln, aus dem bald, mit eigenem Siegel ausgestattet und durch Stadtmauern geschützt, die Stadt Siegburg, wurde. Stellen wir die Entwicklung im Zeitraffer dar: Menschen, die hier wohnten, brauchten Brot, das heißt, Brotgetreide musste gemahlen werden, die Mühlentechnologie war bekannt, Wasser gab es auch, nur war die uneingedeichte, in vielen Mäandern sich verströmende Sieg nicht dazu geeignet, Mühlen anzutreiben. Auch dieses Problem war den Menschen bekannt, man suchte eine geeignete Stelle, um Wasser abzuleiten und dicht an die Stadt heranzuführen. Unter Einbeziehung alter Siegarme zwischen denen man Verbindungen schuf und der Anlage eines Wehres, um so viel Wasser aufzustauen, dass man eine Ableitung damit speisen konnte, wurde der Mühlengraben von den Menschen der damaligen Zeit geschaffen, um direkt am Siedlungsort die Kraft des Wassers ausnutzen zu können.

Den Wehrbau hat man sich dabei höchst einfach vorzustellen. Bei Niedrigwasser wurden Pfähle in das Flussbett gerammt, durch Bretter verbunden und Steine dahinter angehäuft. Ein Damm wuchs heran, hinter dem sich die Wasser der Sieg stauten und irgendwann geschah der Durchstich zum inzwischen vollständig ausgehobenen Bett, das Wasser strömte hinein und der Siegburger Mühlengraben war geschaffen, dessen Voraussetzung aber der Bau eines Wehres quer durch die Sieg war. Wie sich dann das Mühlenviertel an der Stadt entwickelte, ist nicht mehr Thema dieses Beitrags.

Ohne schriftliche Quellen zu der Anlage von Wehr und Mühlengraben zu haben, kann man anhand der Siedlungs- und Technikgeschichte sicher sagen: Die hochmoderne Wehranlage an der Wahnbachtalstraße stammt in ihrem Ursprung aus der Gründungsphase der Stadt, ist in ihrem Herkommen also ein Bauwerk aus dem Hochmittelalter.

Schriftlich fassbar werden Mühlen, Mühlengraben und damit auch Wehr erstmalig in einer Urkunde aus dem Jahre 1355, in der Streitfragen zu den Mahlgebühren bzw. ihrer Erhebung zwischen der Abtei als Stadtherr und Betreiber der Mühlen und der Siegburger Bürgerschaft geregelt werden. Der Text zeigt an, dass es sich hier nicht um neue, sondern schon seit längerer Zeit umstrittene Fragestellungen handelt, ein weiterer Beweis dafür, dass es sich mit den Mühlen um „alte“ Einrichtungen einer noch jungen, im Wachsen begriffenen Stadt handelte.

Das Wehr, eine Steinschütte, aufgebaut und gehalten durch Holzeinbauten, wird im Laufe der Jahrhunderte viele Reparaturarbeiten gefordert haben, über die aber bisher nichts bekannt ist. Erst im 19. Jahrhundert wird das Wehr mit Zeugnissen, die im Stadtarchiv aufbewahrt werden, fassbarer.

In einer dünnen Akte aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Titel „Special-Akten betrifft den Bau und die Unterhaltung des Sieg-Mühlenwehres bei Buisdorf. 1826 – 1855“ findet sich ein Schriftwechsel zur Reparatur der Einlassschleuse in den Mühlengraben aus den Jahren 1826-27 und ein zweiter aus den Jahren 1847-49, der die Reparatur von Grund- und Fachbalken am Wehr selbst betreffen. Im letzteren wird auf „uralte“, nunmehr vermorschte Balken verwiesen, die dringend eines Austausches bedürfen, der dann wohl auch stattfand.

Dieser Schriftwechsel zeigt eindeutig, dass damals die Wehranlage eine Holz- Steinkonstruktion war, eine Feststellung, die sich mit ersten Abbildungen des Wehres aus der Zeit der beginnenden Fotografie bestätigen lässt.

Zwei Postkarten, aufgenommen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, zeigen uns die alte, heute noch vorhandene Stütz- und Einfassungsmauer unterhalb des Siegburger Rudervereins und geben den Blick auf eine völlig andere Wehrsituation frei. Die Umgrenzung von Mauer, rechtes Ufer Kies mit kleinerem Aufwuchs ist gleich, linksseitig kann der Blick über die freien Buisdorfer Wiesen schweifen. Dazwischen ein, bei mäßigem Wasserstand gering überströmtes, flach geneigtes Schrägwehr. Die Stauhöhe ist durch ein durchlaufendes, aufgesetztes Brett leicht erhöht, die Wehrfläche selbst, das zeigt die zweite Postkarte, wird durch Balken und gemauerte Abschnitte gebildet. Diese ganze Anlage steht auf niedrigen Pfählen, von denen das Wasser gerade herabfällt.

Im Vordergrund der beiden Postkarten, die den Blick von der Siegburger Seite nach Buisdorf zeigen, liegen Kähne, die wohl die Siegfischer zu ihrer Arbeit nutzten. Auf dem einen Bild steht im Heck ein Mann, der in seiner Hand einen Käscher hält; auf dem anderen spielen sechs Kinder in dem Kahn, der fest installiert ein Netz zeigt, einen sogenannten Blitz, das, in die Fluten gehängt, dann mit raschem Ruck nach oben befördert, die im Stillwasser vor sich hinträumenden Fische in die Luft riss und zu einem gelungenen Fang werden ließ.

Bis in die 30er Jahre, so der Bericht in der Festschrift zu „75 Jahre Fischschutzverein Siegburg e.V.“, galt die Sieg, neben der Weser, als fischreichstes Gewässer Deutschlands. Das heißt für die Wehranlage an der Wahnbachtalstraße, dass sie als sanftes Schrägwehr den Bedürfnissen der Fische und ihrem Wanderzug ebenso entsprach, wie dem der Berufs- oder Hobbyfischer, die im Fluss eine gesunde Population vorfanden.

 

 

 

Das Siegwehr an der Wahnbachtalstraße

von Dr. Andrea Korte-Böger (Frühere Stadtarchivarin der Stadt Siegburg)

Teil 2 von 3

 

Als im Jahr 2000 eine größere Baumaßnahme zum Fischaufstieg auf der Buisdorfer Wehrseite durchgeführt wurde, beobachtete Gerd Stöcker, langjähriges, engagiertes und erfolgreiches Mitglied des Siegburger Fischschutzvereins, dass die Bauarbeiter einen auffälligen Gegenstand auf der Baggerschaufel beäugten. Dank seines Interesses konnte er verhindern, dass dieser Gegenstand nicht postwendend wieder in die Fluten zurückflog, sondern geborgen und ihm dann ausgehändigt wurde. Der Bagger hatte, wie die beiden, von Gerd Stöcker zur Verfügung gestellten Fotografien zeigen, einen überraschend großen Anker ans Tageslicht gefördert.

Er meldete den Fund dem Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege, verbunden mit der Bitte, den Anker näher zu bestimmen. Dies war den Archäologen nicht möglich, und so wurden die Bilder an das Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg-Ruhrort weitergeleitet, wo eine ausführliche Stellungnahme zu dem „Wasserfund“ vorgenommen wurde, die ich im Folgenden wiedergebe:

„… Nun zu Ihrer Frage. Bei dem im Uferbereich der Sieg gefundenen Anker handelt es sich vermutlich um einen Admiralitätsanker [bekannter als Stockanker]. Kennzeichnend für diesen Ankertyp, der 1840 von dem Engländer William Parker entwickelt wurde, ist die halbkreisförmige Biegung der Ankerarme und der elliptische Querschnitt des Schaftes und der Ankerarme. Nach den Fotos zu urteilen, haben diese Teile bei dem gefundenen Anker einen elliptischen Querschnitt. Auch die Ankerarme sind halbkreisförmig gebogen. Der nicht mehr vorhandene eiserne Ankerstock war bei dem Admiralitätsanker durch ein rundes Auge im Ankerschaft geführt und beweglich. Die Befestigung erfolgt durch eine Verdickung des Stockes auf der einen und einem Splint auf der anderen Seite. Da es sich bei dem Sicherungssplint um vergleichsweise dünnes Material handelt, ist dieser vermutlich durchgerostet. Dies erklärt den Verlust des Ankerstocks.

Da nach meinen Informationen die Sieg nur für einen kurzen Zeitraum zu Beginn des 19. Jahrhunderts schiffbar war, ist die Verwendung des Ankers auf einem Schiff ausgeschlossen. Allerdings wurde auf vielen Nebenflüssen des Rheines Flößerei betrieben, so vermutlich auch auf der Sieg. In der einschlägigen Literatur zum Flößereiwesen wird die Sieg jedoch nicht erwähnt. Möglicherweise gibt dazu die heimat- bzw. regionalgeschichtliche Forschung und Literatur Hinweise und ermöglicht eine nähere Eingrenzung der Datierung, die sicherlich nicht vor der Mitte des 19. Jahrhunderts anzusetzen ist.“

Interessant sind die Überlegungen, die der Mitarbeiter des Museums für Deutsche Binnenschifffahrt zur Verwendung dieses großen Ankers anstellte. Sicherlich kann die Flößerei ebenso ausgeschlossen werden wie die Schifffahrt. Schauen wir uns dazu nochmals die historische Postkarte an: Auf der Siegburger Seite liegend, sehen wir einfache offene Kähne, die an der Wehrmauer festgebunden wurden. Die Ringe sind übrigens heute noch vorhanden. Sie führten sicherlich keinen Anker mit sich.

Es gibt aber noch eine weitere, aus der Zeit stammende, Postkarte, die das Wehr an der Wahnbachtalstraße zeigt. Hier ist der Wasserstand besser und im hinteren Bereich ist das Aufhöhungsbrett entfernt, um die Durchflussmenge zu erhöhen. Im Unterwasser schaukelt der Kahn eines Siegfischers, ausgestattet mit Blitz und einem Budenaufbau, der zeigt, dass hier regelmäßig gefischt wurde. Zum Schutz ist der Bordrand mit einem umlaufenden, breiten Metallband eingefasst. Das Boot ist eigentlich schon kein einfacher Kahn mehr, sondern eher ein Holzprahm, ein flach gehendes, kastenförmiges Transport- und Arbeitsboot ohne Eigenantrieb [Wahrig Deutsches Wörterbuch]. Er liegt seitlich, am vom Hochwasser überspülten Wehr, den Blitz in die Strömung gehängt, der seinerseits sicherlich starke Kräfte auf das Boot ausübt. Kein Fischer ist zu sehen, das heißt, der Eigner muss sich einer festen Verankerung schon sehr sicher gewesen sein, dass er seinen Kahn so einfach verließ. Gut möglich, dass hier der von Gerd Stöcker geborgene Admirals- oder Stockanker seinen Einsatz fand.

 

 

 

Das Siegwehr an der Wahnbachtalstraße

von Dr. Andrea Korte-Böger (Frühere Stadtarchivarin der Stadt Siegburg)

Teil 3 von 3

 

Im Februar 1933 berichtet die Siegburger Zeitung: „Das sogenannte Buisdorfer Wehr am Bootshaus des Siegburger Rudervereins 1910 ist durch Eisgang in etwa 12 m Breite so stark beschädigt worden, dass jetzt viel Wasser direkt siegabwärts fließt, statt durch den Mühlengraben. Dem ist auch zuzuschreiben, dass der Mühlengraben jetzt einen so niedrigen Wasserstand hat.“

Im April wurden dann laut Zeitungsbericht Ausbesserungsarbeiten am Wehr durchgeführt, in der Zwischenzeit ermöglichte es der geringe Wasserstand im Mühlengraben aber auch in der Stadt selbst Ausbesserungs- und Verschönerungsarbeiten am Leinpfad vorzunehmen.

1991 bekam das Stadtarchiv eine historische Fotografie geschenkt, die die Arbeiten der Tiefbaufirma G. Reusch 1933 am Wehr zeigt. Die „Reparaturarbeiten“ entpuppen sich hier als der Neubau des Wehres. Die Gefällestufe ist völlig abgespundet, eine neue Mauer, nach Fertigstellung ein Überfallwehr bildend, wird an die historische Stelle gesetzt, das alte Schrägwehr ist völlig abgeräumt. An der Buisdorfer Seite wurde eine Betonrutsche für Kähne eingebaut und ermöglichte so, sei es für Anglerkähne oder den Bootssport ein problemloses Wechseln vom Ober- zum Unterwasser.

Damit wurde das Wehr, erstmalig in seiner schon Jahrhunderte währenden Existenz, beim Fischzug zu einem echten Hindernis. Dies rief natürlich den Fischschutzverein auf den Plan.

Wie die Festschrift von 1935 berichtet, war es dann dem aktiven Einsatz des Vereinsvorstands zu verdanken, dass diese neue Wehrkonstruktion mit einer Fischtreppe nachgerüstet wurde, die, wie man seitens des Vereins betonte, besonders den oberhalb liegenden Fischereien „zum Nutzen gereicht“.

Leider liegen aus der zweiten Hälfte der 30er Jahre keine Wehrabbildungen vor, so dass hier eine bildmäßige Überlieferungslücke bleibt. Vielleicht dient ja nun diese weitere Festschrift und dieser Artikel als Anregung dazu, dass der eine oder die andere noch einmal in Schubladen, Kisten und Kästen stöbert und doch noch ein Bilddokument aus der Zeit kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu Tage fördert – für die Stadtgeschichte wäre das „ein toller Fang!“

Knapp 20 Jahre später, 1952, erstellte das Kreistiefbauamt einen Plan vom damaligen Zustand des Wehres, in dem der Bauzustand aus dem Jahre 1933 einschließlich der nachträglich eingebauten Fischtreppe festgehalten wurde. Die Planherstellung stand im Zusammenhang mit einem Schadensfall, zu dessen Beseitigung der „Wasserverband zum Ausbau und zur Unterhaltung des Siegburger Mühlengrabens“, im Folgenden kurz Mühlengrabenverband genannt, herangezogen werden sollte, was – wen wundert´ s – dieser aber nicht wollte.

Der Schaden bestand in einem tiefen Kolk am linken Siegufer, also auf Buisdorfer Seite, und rührte von einer oberhalb der Wehranlage Ende der 30er Jahre durchgeführten Baumaßnahme her. Die folgende Beschreibung stammt aus der Einladung zu einer Mitgliederversammlung am 8. November 1952 durch den Mühlengrabenverband:

„Zu Punkt 1): Durch die Verlegung der Sieg durch die Reichsautobahn ist ein neuer Stromstrich entstanden. Dieser Stromstrich trifft das Wehr so ungünstig, dass das linke Siegufer unterhalb des Wehrs total zerstört ist. Hierdurch entsteht die Gefahr einer Umspülung des Wehres.

Um diese Gefahr zu beseitigen, müsste das Siegwehr umgeändert werden. Ein Rechtsnachfolger der Reichsautobahn, der für diese Arbeiten in Anspruch genommen werden könnte, besteht noch nicht. Die Verhandlungen mit den zuständigen Behörden und Aufsichtsstellen stehen nun so, dass man dem Wasserverband etwa 75% der durch die Umänderung und sonstigen Arbeiten entstehenden Kosten als verlorener Zuschuss bewilligen würde, wenn er die Ausführung der Arbeiten übernimmt.“

Um es kurz zu machen, nach zwei Leitz-Stehordnern voller Schriftwechsel hin und her, geschah es genauso. Im Zuge dieser vielen Schreiben stellte der Regierungspräsident in Köln auch die Frage:

Wem gehört das Siegburger Wehr eigentlich? Diese Frage sollte die Kreisverwaltung eingehend überprüfen und klären und bis zum 15.9.1953 darüber berichten. Es heißt weiter:

„Sollte sich kein Eigentümer feststellen lassen, so beabsichtige ich [der Regierungspräsident], bei dem Herrn Minister das Wehr als herrenloses Gut erklären zu lassen, um anschließend das Eigentum dem Verband zuzuweisen.“ – Und auch dieses geschah so.

Im September 1955 kümmerte sich der Deutsche Kanuverband sogar um den Wehrumbau und fragte an, ob bei den Arbeiten auch an die Wasserwanderer gedacht worden sei und ob es gute Umtragemöglichkeiten gäbe. Für Niedrigwasser verneinte das das Wasserwirtschaftsamt, „…trotzdem wird in die Böschung unterhalb des Wehres eine Treppe eingebaut und zwar in der Form, dass ein Ein- und Ausbringen der Boote in Fahrtrichtung möglich ist, so dass bei höherem Wasser und der damit verbundenen höheren Wassergeschwindigkeit die Boote keinen Schaden erleiden dürften.“

Bis 1988 hatte diese Gesamtanlage Bestand, dann begannen die Arbeiten zur Einrichtung des Fischaufstieges und der Kontroll- und Fangstation, die sich bis in die jüngst zurückliegende Zeit hinzog und in einem anderen Artikel Würdigung findet.