Kormoran - unterschätzter Jäger
Was man nicht sieht, kann man sich oft nicht vorstellen.
Es ist eine Erfahrung, die ich schon des Öfteren im Leben gemacht habe, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die man sich einfach nicht vorstellen kann und vielleicht auch nicht glauben kann, bis man sie selbst einmal mit eigenen Augen gesehen hat. Als ich dieses Jahr im Sommer am Ossiacher See in Kärnten Österreich Urlaub machte, konnte ich durch bloßen Zufall einem Naturschauspiel beiwohnen, das vielleicht nicht allzu viele Menschen bisher so nah und deutlich gesehen haben und vielleicht auch nicht mit der Kamera aufnehmen konnten. Das klingt vielleicht jetzt so, als hätte ich ein Wunder gesehen, ganz so beeindruckend ist es aber nicht. Jedenfalls für die meisten Menschen wird es das eher nicht sein. Aber für mich war es wie eine Offenbarung, weil es meine Einstellung zu bestimmten Problemen, mit denen wir in der Angelfischerei konfrontiert sind, geändert hat; gemeint ist das Problem Kormoran. Als ich in besagtem Urlaub am Ossiacher See auf einem Bootssteg stand und wie gewöhnlich ins Wasser blickte, fielen mir zahlreiche Rotaugen auf, manche von ihnen von beachtlicher Größe. Bis dahin war daran nichts Ungewöhnliches. Doch nach einer Weile kam ein hübscher Haubentaucher mit seinem Jungtier angepaddelt und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Vogel war nicht besonders groß, eher schmächtig und grazil, und im Vergleich zu einem Kormoran ein Winzling. Mir war auch immer klar gewesen, dass Haubentaucher ebenfalls von Fischen leben, die sie unter Wasser erbeuten, doch aufgrund ihres vereinzelten Vorkommens und Jagens, und natürlich, weil sie mir von ihrem Aussehen her gut gefallen, waren sie mir von jeher viel sympathischer als Kormorane. Während dieser wirklich hübsche Wasservogel für sich jagt, sieht man den wesentlich größeren und wenig adretten Kormoran oft im Rudel jagen und das macht ihn nicht sehr sympathisch für mich. Viel mehr Gedanken habe ich mir zu den Vögeln ehrlich gesagt nie gemacht und es fiel mir immer schwer, mir wirklich vorzustellen, wie viel Fisch ein solcher Vogel erbeuten kann und vor allem in welcher Zeit er das schaffen würde. Im Falle des Haubentauchers hab ich mir vorgestellt, dass er vielleicht viele Versuche brauchen würde, einen Fisch zu erbeuten. Vielleicht müsste er einen Schwarm finden, dachte ich oft, dort hineintauchen und gleich zuschnappen, um dann mit ganz viel Glück einen davon zu erwischen. Beim Kormoran dagegen, so überlegte ich mir, würde die Strategie vereint im Rudel zu jagen, viel eher erfolgreich sein. Doch wie viel so ein Vogel erbeuten könnte, darüber war ich mir nie sicher. Man hört und liest ja dann und wann über entsprechende Angaben, aber stimmen die auch? Aber zurück zu meinem Haubentaucher. Wie es der Zufall an diesem Tag wollte, hatte es der Haubentaucher gerade auf die Rotaugen abgesehen, die sich vor mir im Wasser vor dem Bootssteg versammelt hatten. Und während ich ihn zum Fotografieren anvisierte, tauchte er ab und schwamm auf die Fische zu. Doch entgegen meiner bisherigen Vermutung stieß er nicht in die Menge, um sich mit Glück einen der Fische zu schnappen, sondern suchte sich gemächlich ein Tier aus der Gruppe aus, das ihm aus welchen Gründen auch immer zusagte, trennte es von den anderen Fischen ab und jagte gezielt hinter diesem her. Bisher hätte ich in dem Glauben, dass ein flüchtender Fisch um ein Vielfaches schneller ist als so ein Vogel unter Wasser, der sich nur mit seinen Entenfüßchen fortbewegte, vermutet, dass die Jagd so in den meisten Fällen erfolglos bleiben würde, weil der Beutefisch einfach entkommt. Aber wie schon eingangs gesagt, was man nicht mit eigenen Augen sieht, kann man sich oft auch nicht vorstellen. Tatsache ist, dass der Vogel durch das Zusammenschlagen und Nachhintenstoßen seiner Füßchen, ähnlich einem Brustschwimmer, eine ungeheure Geschwindigkeit entwickelte. Wer schon einmal Fische gesehen hat, die vor einem Hechtangriff flüchteten, kann sich vorstellen, wie schnell das Rotauge war, das vor diesem Haubentaucher davonfloh. Doch der Vogel war viel schneller, und hätte der Fisch nicht Haken geschlagen wie ein Kaninchen, hätte der Haubentaucher den Fisch bei jedem Versuch erwischt. So war nur vielleicht jeder dritte Versuch erfolgreich, doch das dauerte auch nicht einmal eine Minute. Dieses Schauspiel hat mich völlig in Erstaunen versetzt und ich kam aus dem Grübeln nicht mehr heraus. Die erbeuteten Rotaugen, die der Haubentaucher dann an sein Junges verfütterte, waren zudem so groß, dass man sich nicht annähernd vorstellen konnte, dass der kleine Vogel diesen für seine Kopfgröße überdimensionalen Fisch im nächsten Augenblick Kopf voraus herunterwürgen würde. Und auch das ging ohne große Probleme. Ich weiß nicht wie viel Gramm so ein erbeutetes Rotauge wog. Aber ich musste an Angaben wie 500 Gramm Fisch pro Kormoran pro Tag denken. Das kam mir in diesem Moment wie ein Tropfen auf den heißen Stein vor. Ich weiß nicht, wie oft der Haubentaucher an diesem Tag noch sein Junges gefüttert hat. Wenn er es aber noch ein paar Male tat, hätte dieser kleine Jungvogel ja schon so viel gefressen, und der war nur ein Bruchteil so groß wie der mächtige schwarze Vogel, den wir von der Sieg kennen. Und mir war auch klar, wenn der Haubentaucher immer weiter Hunger hätte, könnte er jedes dieser Rotaugen erbeuten, bis keines mehr vorhanden wäre. Denn seine Jagdtechnik war überaus erfolgreich und er war kein bisschen auf Glück angewiesen, wie ich es vorher vermutet hätte. Ich hab mir das Schauspiel nun gedanklich auf unsere Gewässer übertragen und mir vorgestellt, wie das Fangergebnis Tag für Tag aussehen muss, wenn mehrere viel größere Vögel wie der Kormoran gemeinschaftlich die Beutefische zusammentreiben und dann zur Strecke bringen. Das kann sich ja jeder jetzt selbst einmal überlegen. Ich weiß nicht, ob die Menschen, die uns vom Schaden oder Nichtschaden des Kormoran berichten, jemals selbst gesehen haben, wie erfolgreich die Tiere bei der Jagd sind, wie viel sie tatsächlich fressen, wie viele Fische sie tödlich verletzen, ohne sie zu erbeuten? Welchen Schaden sie alleine durch ihre Anwesenheit und Störung der Lebensräume verursachen oder ob sie vielleicht gezielt auch Fische aus ihrem Unterschlupf zerren können wie z.B. Aale? Ich hab das auch noch nie gesehen, aber ich kann zumindest jetzt sagen, dass ich vom bloßen gelegentlichen Zuschauen aus der Ferne eine ganz falsche Vorstellung von der Jagd des Haubentauchers gehabt hätte. Seit diesem Erlebnis sehe ich den Kormoran unter völlig anderem Blickwinkel. Ein Vogel, der mit Glück ab und zu einen Fisch erbeutet, dessen Existenz- du Lebensberechtigung würde ich nie in Frage stellen. Wenn seine Individuenzahl überhandnimmt, würde ich eine Dezimierung in jedem Fall als sinnvoll ansehen. Doch jeder, der dieses Schauspiel am See miterlebt hätte, würde es wie ich mit der Angst zu tun bekommen, weil zu befürchten muss, dass die Kormorane ganze Fischarten in kürzester Zeit ausgerottet könnten, wenn die Überlebensstrategie dieser Fische nicht besonders effizient im Falle des Kormorans ausfällt. Seine Jagd wird jedenfalls sehr effizient sein, davon bin ich überzeugt. Ich bin geneigt, heute den Menschen zu vertrauen, die ein entschlossenes Vorgehen, gegen den Kormoran fordern. An diejenigen, die der Meinung sind, die Natur reguliere sich im Falle des Kormorans selbst und Abschüsse der Vögel oder Vernichtung der Gelege wäre nicht erforderlich, appelliere ich dringend, sich selbst ein Bild zu machen und nicht aus Gründen ideologischer Verblendung an Prinzipien festzuhalten, die mit der Wirklichkeit vielleicht gar nichts zu tun haben. Denn, was man nicht mit eigenen Augen gesehen hat, das kann man sich oft gar nicht vorstellen. Es wäre sehr traurig, wenn wir durch falsch verstandene Naturliebe eines Tages verschiedene Fischarten überhaupt nicht mehr vorfinden könnten, weil wir zur rechten Zeit einfach nicht hinschauen wollten und alleine aufgrund von Vermutungen entschieden haben.